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MCR-T: „Sich einfach geil und sexy fühlen, mit einem Lächeln im Gesicht”

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Kaum einem Künstler seiner Generation gelingt es wie MCR-T, weite Teile des Musikgeschehens von der Clubmusik über Rap bis hin zu Schlager in einem unverkennbaren Universum zu vereinen, das niedrigschwellig zugänglich ist, zugleich aber eigen und idiosynkratisch.

Durch Kollaborationen mit so verschiedenen Acts wie DJ Gigola, Horsegiirl, DJ Hell, Joost Klein oder DJ Mell G entsteht ein Netzwerk, dessen Verzweigtheit sich auch im narrativen Kosmos seines aktuellen, fünften Albums Not The Same spiegelt, dessen Veröffentlichung Anlass für das Gespräch mit den GROOVE-Mitarbeiter:innen Elaine Sobolewski, Jacob Runge und Alexis Waltz war.

GROOVE: Wie kam es zu dem Titel des Albums?

MCR-T: Not The Same entstand aus dem Mindset heraus, ganz cringy gesagt, was Besonderes schaffen zu wollen. Ein Genre-Crossover, das es so nicht gibt. Textlich sollte es conscious sein, aber auch auf dem Dancefloor stattfinden, in einem DJ-Set vorkommen, privat gehört werden können. Ein Hybrid-Produkt, das zu Hause, im Auto, im Club und als Konzert funktioniert. Das Mindset dahinter war: Scheißegal, was ihr macht: wir sind nicht gleich, we are not the same. Daher das Ungleichzeichen.

Wie setzt sich das Album von deinen früheren Alben ab?

Wir sind 4 Tha Culture und MY VOICE MY WEAPON OF CHOICE ambitioniert angegangen und haben gesagt: Benutz‘ deine Stimme, sei nicht gewalttätig. Jetzt wollten wir mal was Freches sagen. Wir sind so weit gekommen, dass wir sagen können: Own your space.

„Man kann den Hauch eines Ficks geben, bis es darum geht, Geld machen zu wollen mit den Ficks, die man nicht gibt.”

Wen du „wir” sagst, von wem sprichst du da?

Da meine ich auch das ganze Backend von uns bei Live From Earth, unser tolles Team, die den Day-To-Day mit mir machen oder mir in den Arsch treten, wenn ich nicht hinterher komme. Auch die Videoproduktion. Alles, was gestalterisch und organisatorisch miteinfließt – deshalb wir.

MCR-T (Foto: Steffen Grap)

Wie arbeitest du an deiner Musik – grundsätzlich mit anderen oder machst du das allein?

Um ehrlich zu sein: ich mag es am liebsten, alleine zu worken. Hin und wieder arbeite ich mit einer kleinen Handvoll anderer Künstler zusammen. Aber normalerweise merke ich ganz schnell, dass ich auf einer ähnlichen Wave sein muss. Produktionstechnisch mag ich es gar nicht, zu kollaborieren. Das hindert nur den Workflow. Gerade auch, wenn es Leute mit Management-Background sind. Das ist immer ganz viel Papierkram dafür, dass man einfach nur mit einer anderen Person ins Studio geht. Darauf habe ich keinen Bock, das fickt meinen Workflow. Und bisher hatte ich immer das Gefühl, dass meine Fantasie ausreicht für das, was ich machen will. Ich denke auch nicht, dass ich mal so eine oder so eine Stimme brauche – sondern eher, dass wir das auch inhouse hinkriegen.

Dein Album fängt mit „Ultras National Anthem an. Wer sind die Ultras?

Meine Supporter-Gemeinde, das sind die Ultras. Das sind die MCR-T-Ultras. Den Anfang von Sets will ich ein bisschen zeremoniell gestalten, da spiele ich dann Klassik-Musik oder so was. Egal, ob der DJ davor härter und schneller gespielt hat. Das sticht immer heraus, das ist immer attention capturing. Das fühlt sich besonders an, auch für die Zuhörer. Jetzt dachte ich mir, ich will irgendwas Episches haben, das motivierend ist, besonders für die Ultras. Der recurring sentence hat immer denselben content: „We are Ultras”. Vor allem bei den Headlining-Shows ist es immer das Intro.

In dem Track „1 Berliner” beschreibst du dich als Punk. Was bedeutet das für dich?

‚Nen Fick geben. Man kann den Hauch eines Ficks geben, bis es darum geht, Geld machen zu wollen mit den Ficks, die man nicht gibt. Deshalb kann mein anderes Alias zum Beispiel nicht stattfinden, was bis heute noch nicht so ganz bei mir angekommen ist. Weil es viele andere Kandidaten gibt, die herzlich wenig für ihre Meinung und ihre Existenz einstehen oder auf Demos gehen und mit fragwürdiger Ästhetik posieren. Und ich als jemand, der so aussieht, wie er aussieht und der in der Crew ist, in der er ist, darf so nicht stattfinden. Deshalb war die Line ein bisschen daran angelehnt: „Ich bin ein Punk, doch Deutscher, empört”.

Du spricht von deinem alten Alias, MCNZI.

Ich hätte voll Bock, da irgendwie noch weiterführend Musik zu machen und das zu präsentieren. Leute diskutieren in Reddit-Foren darüber, ob ich Nazi bin, dabei ließe sich das in zwei Clicks überprüfen. Das ist das Problem mit allem, mit der Menschheit, aktuell.

In einem Interview mit rap.de von 2019 sagst du, dass MCNZI der Alias ist, der alles überschattet, was du machst. MCR-T ist eher eine Abzweigung.

So war das auch geplant, ich wollte alles unter dem MCNZI-Alias laufen lassen. Aber mit zunehmendem Druck wegen des Namens war dann MCR-T das neue Blatt. Und es ist vielleicht noch mehr ich, weil das keine Kunstfigur ist. Ich heiße ja wirklich McCarthy, Da gibt es keine Differenzierung mehr.

Was hat diese Kunstfigur für dich ausgemacht? Was hat dich inspiriert?

So Charaktere wie Tyler, the Creator. Die haben auch ihr eigenes Universum geschaffen, mit fünf, sechs verschiedenen recurring characters. Alles ist self-themed. Seine Alben haben immer Eigennamen. Dann geht es in dem Album aber immer um einen neuen Charakter. Das fand ich immer interessant und geil für das Storytelling. Wenn man das ein paar Jahre macht und dann zurückblickt, sieht man, dass man viel von sich preisgibt, aber in chapters. Man schaut dann zum Beispiel auf sich im infant stage, in der Entstehungsphase. Jetzt sind wir im Erwachsenenalter angekommen, jetzt haben wir MCR-T. Der ist seriöser, aber nur vermeintlich, denn es ist immer noch dasselbe Backend.

MCR-T (Foto: Steffen Grap)

Meinst du, dass ein Alias wie MCNZI, das so eine Ambivalenz in sich trägt, nicht mehr machbar ist in unserer digitalen Welt?

Wahrscheinlich nicht mit dieser Thematik. Jeder ist ja so woke, dass er meint, mit einer Schlagzeile das Buch gelesen zu haben. Deshalb geht das nicht. Ich muss sehr viel erklären, Erklärungsarbeit leisten über die Musik hinaus. Das ist aber nicht mein Job. Mein Job ist es höchstens, ein Journalist der Dinge zu sein, die ich erlebe – und das dann in ein Lied zu packen.

Was hat dich an der Ambivalenz eines Charakters wie MCNZI interessiert, der zwischen Extremen steht?

Ich hatte eine identity crisis, ich wusste nicht so ganz, wo ich reinpasse. Deshalb male ich mir meine eigene Welt aus. Daher fand ich es immer spannend, in verschiedenen Styles, in verschiedenen Charakteren, an verschiedenen Orten stattzufinden. MCR-T findet ja jetzt nicht unbedingt in Rap-Kreisen statt. So habe ich einen Alias für elektronische Musik und das andere Ding für Rap oder Hip-Hop. Ich fand das immer spannend, überall stattzufinden.

Beim Track „KTHULU” setzt du einen Kehlkopf-Gesang ein, wie man ihn eher aus dem Metal kennt.Wie bist du darauf gekommen oder warum wolltest du ihn genau in diesem Song benutzen?

Dieser Track ist neben zwei anderen Songs mein persönliches Baby. Ich habe viel EBM gehört und dachte: Okay, das ist ja eigentlich Industrial Rock. Ich hab mich gefragt, ob es noch etwas kranker geht mit den Vocals. Es gibt diese oft als „Rammstein-esk” charakterisierte Stimmlage. Ich habe recherchiert, ob es überhaupt irgendwas gibt, das so screamo-artig klingt. Ich bin auf einen Daniel-Avery-Remix von 2012 gestoßen, auf dem die Vocals super distorted sind. Das war eine der Inspirationen. Das hat gepasst, weil das so kraftvoll, so rotzig klingt. Vielleicht ist das auch ein Schock, weil man das nicht erwartet, weil EBM-Lyrics sonst entweder sehr distorted oder total klar sind.

Ich hin zehn Stunden im Studio, hau‘ Skizzen raus, bestelle Essen und gehe irgendwann ins Gym. Das ist mein Arbeitstag.

Kind der Nacht” fällt für uns aus deinem Œuvre raus, außer im Storytelling. Wie ist der Track entstanden?

Das sollte mal ein Track werden für ein Various-Artist-Album auf 44 Label-Group, hat den Cut aber nicht geschafft. Dann war ich so: Perfekt, dann nehme ich das selbst. Das war nicht geplant. Ich saß letzten Januar in Miami und hab‘ das Ding in einer Session durchgerockt. Ich wollte irgendwas Finsteres machen, das Big-Room-artig klingt und legends Respekt zollt. Deshalb diese Thomas-P.-Heckmann-Referenz in dem Titel. Das war so ein bisschen Method-Acting für mich: in diese Stimmlage reinkommen und mich zu fragen: Wie fühle ich mich in einem dreckigen Club, komplett verschwitzt, mir die Nächte um die Ohren hauend?

Quälst du dich auch manchmal im Arbeitsprozess oder fließt alles aus der heraus?

Es kommt alles von selbst. Wenn etwas länger als zwei, drei Tage zum Schreiben braucht, dann scheiße ich meistens drauf. Generell bin ich im Studio wie eine Maschine. Ich produziere die ganzen Beats. Beim Produzieren habe ich oft eine Idee, wie sich die Stimme anhören soll. Wenn ich die Stimme im Kopf habe, kommen die Wörter meistens von alleine. Wenn ich im Lauf bin, wird das meistens in einer Session durchgeboxt. Bei Tracks, die ein bisschen mehr woke oder conscious sind oder wo ein bisschen mehr Kontext dabei ist, sind es vielleicht mehrere Sitzungen zum Schreiben. Aber in der Produktion weiß ich meistens direkt, was für mich zünden wird. Bei diesem Projekt war es so, dass ich die ganze Zeit im Studio war. Ich mache dann in ein, zwei Stunden so fünf, sechs Beat-Skizzen fertig. Währenddessen summe ich was vor mich hin, schreibe den ersten Satz und denke: Geil, ich hab‘ eine Idee. Und dann wird die durchgerockt.

Mir geht es um Kosmos-Building. Da wird ja ein Universum, eine ID geshapet. Es geht um ganze Projekte.

Hast du dein Studio zuhause?

Ja. Es war früher in meinem Schlafzimmer, jetzt ist es im Nebenzimmer.

Da gehst du morgens einfach rüber und legst los?

Ganz genau. Das wird ganz schnell zur Höhle. Dann komme ich den ganzen Tag nicht mehr raus, bin dann zehn Stunden einfach nur drüben, hau‘ Skizzen raus, bestelle Essen und gehe irgendwann ins Gym. Das ist mein Arbeitstag.

Machst du das alles selbst?

Da sind garantiert keine Ghost-Producer. Ich bin auch in der Phase des Künstler-Daseins, in der ich das Gefühl habe, ich muss mich noch ein bisschen unter Beweis stellen. Deshalb muss ich alles selber durchboxen, show of force, die ganze Zeit. Damit ich sagen kann: Bis hierhin stehe ich auf meinen eigenen Füßen – und dann können wir kollaborieren. Wenn das bei den Leuten angekommen ist, kann es Collaborations day and night geben. Aber gerade bin ich noch in der Phase, wo ich das Gefühl habe, ich bin auf Bewährung.

MCR-T (Foto: Steffen Grap)

Du bist immerhin schon acht Jahre aktiv.

Auf größeren Bühnen sind es erst zwei Jahre, auch wegen Corona. In aktiven Touring-Jahren ist das nicht viel, wenn man künstlerisch gesehen werden will.

Dabei ist NOT THE SAME nach den beiden MCNAZI-Alben, deinem MCR-T-Debüt und der Kollaboration mit Miss Bashful schon dein fünftes Album. Du durchdringst das Albumformat wie kaum ein anderer Act deiner Generation. Aus kurzen und längeren Tracks entsteht ein Kosmos, ein Narrativ, das bisweilen an ein Hörspiel erinnert. Warum bist du so ein Verfechter des Albumformats? Du könntest auch jede zweite Woche einen Track veröffentlichen, der dich in ein paar Playlists bringt. Warum machst du das nicht? 

Weil das zu einfach wäre. Wenn ich das Spiel spielen will, wie es vom Algorithmus vorgelebt wird, müsste ich eigentlich immer nur Zwei-Track-EPs droppen, jeden Monat. Dann kann man das geil promoten und verschwendet nicht 15 Tracks eines Albums darauf, dass nur ein Track gepitcht werden kann. Gibt’s alles. Aber wie du schon meintest, mir geht es um Kosmos-Building. Da wird ja ein Universum, eine ID geshapet. Es geht um ganze Projekte. Das ist mein künstlerischer Anspruch, dass wir mehr sind als ein DJ, der EPs droppt, sondern ein fucking Recording Artist, der nebenher seinen Touring-DJ-Scheiß macht. Wir sind wirklich im Studio und wir machen auch wirklich die Arbeit. Jetzt wird’s aber trotzdem erstmal ein paar EPs geben. (lacht)

Wir greifen aktuell mit Live From Earth USA und Lateinamerika an. Das ist die final frontier.

Wann kommt das Label ins Spiel, wenn du an einem Album arbeitest?

Hin und wieder nerv‘ ich irgendwen bei uns im Label und sag‘: „Oh mein Gott, ich glaube ich habe einen Hit.” Wenn die das auch so einschätzen – okay, krank, das ist ein Money-Track –, wird die Maschine angeschmissen.

Dann macht ihr ein Musikvideo?

Ich poste Story-Snippets der Tracks, um Leute anzufixen oder zu gucken, wie die Reaktionen sind – jenseits von meinem persönlichen Einschätzungsvermögen. Wenn ich x Reaktionen kriege, dann merke ich schon, okay, das macht motion. Bei dem Track mit Joost zum Beispiel war es same thing. Nichts an der Form geändert. Ich habe dieses Snippet gepostet, und weil er dieses Snippet gesehen hat, hat er mir überhaupt erst geschrieben. Er war so: „Kann ich da rauf auf den Track? Das ist überkrank, das ist voll mein Ding.” Da war ich so: „Ja, safe, let’s do it.” Wenn ich nicht asozial am Touren bin, bin ich ja nonstop zu Hause und mache nichts anderes außer meine Labels zu pflegen und im Studio zu sein.

Du hast gerade über den Track mit Joost geredet. Du folgst auf Instagram nur einem Account, der auch so heißt wie der Track mit ihm: „Buurman Uit Berlijn”. Was hat es damit auf sich?

Als ich auf dem ADE war, haben wir eine Aktion geplant. Weil ich der Nachbar aus Berlin, der Buurman Uit Berlijn bin, wollte ich als guter Nachbar zu Leuten nach Hause gehen und ihnen ein Surprise-Set spielen. Das war der Burner-Account, den wir da genutzt haben. Leute konnten diesem Account schreiben und sich quasi bewerben, damit sie ein Guest-Set von mir bekommen. Dann haben wir tatsächlich drei Adressen ausgesucht und fuhren einmal inmitten des ganzen ADE-Wahnsinns auf einem Lastenrad durch die Stadt. Dann waren wir in einem Record-Loft und dann nochmal auf dem Rooftop von irgendeinem Dude. Nur mit Ultras. Deshalb der Account. Wir wollen diese Aktion jetzt weiter ausbauen, besonders im holländischsprachigen Bereich. Auch weil da die größte Fangruppierung ist.

MCR-T (Foto: Steffen Grap)

Wo hast du die meisten Ultras?

Belgien, Holland, gefolgt von Australien, dann Deutschland, dann USA und dann UK. Also abhängig von den Zahlen auf Spotify – und von DMs.

Wie erklärst du dir das?

In Holland und Belgien gab es schon immer eine kranke Affinität zu mir, schon vor dem Track. Aber „Buurman Uit Berlijn” hat das nochmal aufs nächste Level befördert, dann war’s ein done deal. Australien hab‘ ich auch Partiboi [69, d.Red.] mit zu verdanken, weil wir damals, vor jetzt schon vier, fünf Jahren zusammengearbeitet haben. Er ist eine australische Ikone. Deshalb finde ich auch dort statt. Letztes Jahr war ich das erste Mal dort touren, mit overwhelming results. Deutschland ist zwar dabei, hängt im Vergleich dazu aber ein bisschen hinterher. USA ist der neue Markt. Wir greifen aktuell mit Live From Earth USA und Lateinamerika an. Das ist die final frontier. Jetzt haben wir schon Partys in L.A., New York, Miami und in Montreal und Toronto gemacht, die sind gierig nach der Power.

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