Erstmals erschienen in Groove 153 (März/April 2015).

„Ich wurde in Kamogawa geboren, in der Präfektur Chiba – eine wunderschöne Stadt, von der aus man eine tolle Aussicht aufs Meer hat. Die Luft ist immer frisch, der Himmel klar. Kamogawa ist bekannt für den Holzschnitzer und Bildhauer Nami-no-Ihachi. Eines seiner Werke, ein in ein Haus eingeritzter Drache, befand sich gleich ums Eck, wo ich aufgewachsen bin. Mein Vater und ich haben es oft beim Spazierengehen bewundert. Mittlerweile lebe ich im Zentrum von Chiba. Was sich jetzt städtischer anhört, als es ist. Auch hier befindet sich das Meer gleich um die Ecke und ich spaziere oft hin. Zudem ist das City Art Museum in meiner Nachbarschaft. Wenn ich nicht zum Auflegen unterwegs bin, was fast jedes Wochenende so ist und in der Regel leider ja auch zwei weitere Reisetage mit sich bringt, verbringe ich die Zeit zu Hause damit, um Freunde zu treffen, Musik zu machen und Essen zu gehen, beziehungsweise neuerdings zu kochen, da ich mich da reinzufuchsen beginne. Zum Entspannen gehe ich auch gerne in den Garten des DIC Kawamura Art Museums oder in ein Onsen, das klassische japanische Mineralbad, von denen es so viele bei uns gibt, dass man immer wieder neue ausprobieren kann.

Tokio ist eine tolle Stadt, um ein Leben als Künstler zu führen. Mit Anfang zwanzig habe ich viel Zeit mit Freunden in einer Kommune verbracht. Wir machten zusammen Musik und Dinge, die man eher nicht machen sollte. Die Zeit dort war fantastisch und lehrreich. Mittlerweile hat Tokio sich aber zu einer intoleranten Stadt entwickelt. Die Leute dort regen sich immerzu über etwas auf und sind andauernd gestresst. Sie überhöhen die eh schon negative Stimmung im Land noch. Deswegen will ich nicht dort leben. Man muss nur ein Mal an einem Freitagabend eine Bahn nehmen in der Stadt, das ist der Vorhof zur Hölle!

 

„Mittlerweile hat Tokio sich aber zu einer intoleranten Stadt entwickelt. Die Leute dort regen sich immerzu über etwas auf und sind andauernd gestresst.“

 

Meine Clubnacht Future Terror, die ich 2000 in Chiba gestartet habe, findet seit 2010 auch in Tokio statt. Die Party zum zehnjährigen Jubiläum organisierten wir damals noch im Liquid Room, einem sehr guten Club in Tokio; mittlerweile sind wir aber in den Unit Club im Tokioer Stadtteil Daikanyama umgezogen, da ich das Gefühl habe, dass unser Sound dort besonders gut hinpasst – wobei wir jedes Mal den Schwerpunkt verändern, mal nur Techno (und lassen den Club total finster), mal mischen wir die Stile sehr chaotisch (und bieten die wildeste Lasershow des Landes). Der Club hat auch die ideale Größe, um immer noch Sachen auszuprobieren. Da er etwas abseits vom Nachtleben von Shibuya liegt, kommen wirklich nur Leute, die sich für Musik interessieren. Uns liegt viel daran, dass wir den Leuten eine erinnerungswürdige Nacht kreieren. Einmal haben wir einen Wasserfall hinter dem DJ-Pult angelegt. Wenn du mich fragst, wie der Sound of Tokyo derzeit klingt, dann würde ich auf unsere seriösen Techno-Nächte bei Future Terror verweisen. Wobei es derzeit auch noch eine große Fraktion an trippigen Tech-House-DJs gibt und mit Black Smoker eine sehr einflussreiche Clique, die HipHop, Jazz und elektronische Musik zusammendenkt, und mit der wir manchmal auch kooperieren.

Wenn ich schon in Tokio bin, gehe ich zum Trinken gerne in den Stadtteil Tateishi, in dem noch immer die traditionelle Barkultur der Edo-Zeit gepflegt wird. Die ganze Gegend versprüht einen old fashioned Tokio-Vibe. Hier sind die Japaner noch so wie in den Filmen von Kenji Mizoguchi, zumindest sehe ich sie gerne so. Ausländer schätzen ja das alte Japan sehr, das habe ich zuletzt wieder in Paris bemerkt, als ich mit Überraschung feststellen musste, wie groß die dortige Hokusai-Retrospektive angelegt war. Zum Plattenkaufen ist Tokio natürlich auch super. Ich gehe oft in eine der vielen Disk Union-Filialen oder zu Technique, am liebsten schau ich aber bei Naminohana Records in Osaka vorbei, sie haben eine fantastische Auswahl. Nach dem Einkaufen trage ich die Platten dann aber wieder schnell nach Chiba, wo ich meine Sammlung von 10.000 Platten auf meine Wohnung, mein Studio und das Haus meiner Eltern verteilt aufbewahre.“

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