Text: Florian Obkircher, Fotos: Mads Perch
Erstmals erschienen in Groove 150 (September/Oktober 2014)

Er ist die Lichtgestalt der House-Musik: DJ mit Haltung, Produzent ohne Kompromisse, seit zwanzig Jahren die gute Seele der Clubkultur. Seit kurzem ist Theo Parrish außerdem wieder Bandleader. Mit seiner Live-Show war er im Sommer in Europa unterwegs. Beim Treffen in London erzählt er über seine neue Band, seine neue Wahlheimat und über sein neues Album American Intelligence, das am 17. November 2014 erscheinen wird.

Die Bühne ist in samtrotes Licht gehüllt. Aus den Boxen plätschert ein Stück New Jazz, an der Bar der prächtigen Art-déco-Konzerthalle in Nordlondon herrscht Hochbetrieb: Noch schnell ein Bier holen, bevor der Meister loslegt. An die tausend Besucher haben sich im The Forum versammelt, um „Teddy’s Get Down“ zu sehen: Theo Parrishs neue Live-Show. Die meisten von ihnen dürften der treuen Gefolgschaft des Produzenten aus Detroit angehören. Der Altersschnitt im Publikum liegt bei 30 plus. Die Dichte an Schiebermützen, Hornbrillen und Shirts mit KDJ-Logo-Aufdruck ist auffällig groß.

Dann geht die Hintergrund-Musik aus. Die sechsköpfige Band betritt die Bühne. Einer nach dem anderen. Bandleader Parrish zuletzt. Sein Outfit ist betonte Nebensache: Turnschuhe, Cargo-Hose und ein weites, hellblaues T-Shirt, das seinem Bäuchlein schmeichelt. Der 42-Jährige stellt sich an das Keyboard in der Bühnenmitte und grinst. „London! Wie geht’s euch da draußen?“ Der Gitarrist legt mit einem Funk-Riff los. Es ist das Intro zu „Top Of The World“ von Brass Construction. Just die Siebziger-Soul-Hymne, die Parrish für seine allererste Veröffentlichung sampelte: „Lake Shore Drive“, erschienen 1995 auf dem Label seines Kollegen und Förderers Moodymann.

Der Schlagzeugbeat groovt, das Rhodes-Piano galoppiert, Sängerin Ideeyah demonstriert ihren eindrucksvollen Stimmumfang. Parrish am Synthesizer wippt energisch mit und gibt seinem Gitarrist nach wenigen Minuten den Einsatz zum Solo. Danach ist Keyboarder Amp Fiddler an der Reihe: Minutenlanges, leidenschaftliches Gedudel. Das ist handwerklich perfekt, ganz ohne prahlerischen Mucker-Gestus. Und doch gleichzeitig Galaxien entfernt von der entschlackten Stoik, die Parrishs Solo-Produktionen innewohnt. Von der rumpelnden Reduktion, die seine Platten so herausragend macht. Schon das erste Stück des Konzerts wirft die Frage auf: Kann Parrishs Musik im Bandformat funktionieren? Oder besser: Muss sie das überhaupt?

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