burger
burger

MOTHERBOARD Juli/August 2012

- Advertisement -
- Advertisement -

Ein verrauschter Mix aus Siebziger-Elektronik, Dark Ambient und sporadischen House-Rhythmen. Die Musik von Pye Corner Audio ist von allem ein bisschen – vor allem aber klingt sie exzellent. The Black Mill Tapes Volumes 1&2 (Type Recordings) holt jetzt die ersten beiden Kassettenveröffentlichungen auf Vinyl: ein verrauschter Mix aus kosmischer Musik, tiefgründiger Electronica, eierndem Synthesizer-Pop und sporadischen House-Rhythmen. Hier summen die Schaltkreise, dass es eine Freude ist, und dem größten Einfluss – dem Frühwerk der nach wie vor im Legendenstatus verharrenden Sandison-Brüder – alle Ehre macht. Im PCA-Blog wird das unspektakuläre Setup – Typ plus Gerätepark – humorvoll inszeniert: „Magnetically aligning ferrous particles since 1970.“ Wer mehr von Pye Corner Audio und seinem mysteriösen „Head Technician“ hören will, sei auf das englische Label Ghost Box verwiesen: Dort gab es vor kurzem ein 7-Inch-Zusammentreffen mit dem an ähnlichen Synapsen forschenden The Advisory Circle.


Stream: Pye Corner AudioThe Black Mill Tapes Volumes 1&2

 

Mehr in Richtung Witch House geht „Our Love Is Hurting Us“ (Tri Angle), die neue Maxi von Christopher Greenspan alias oOoOO: Säuselnde Stimmen auf Autotune, die durch Gebilde aus psychedelischem Dub und schleichenden Hip-Hop-Beats irren. Gegenüber früheren oOoOO-Tracks erscheint das Szenario brüchiger, aber umso spannender. Als Suum Cuique holt Miles Whittaker, die eine Hälfte von Demdike Stare, den Sample- und Video-getriggerten Horror dieses Projekts auf abstraktere Klangebenen. Ascetic Ideals (Modern Love) beginnt mit einer fiesen Drillnoise-Attacke („Strohtopf“), um den Weg für eine zartere Auseinandersetzung mit analogem Synthesizer-Klang zu ebnen („Kuiper Anomaly“). Dieser Start kann zwar kaum getoppt werden, doch bleibt das Energieniveau der folgenden Drones angenehm hoch.


Stream: Suum CuiqueAscetic Ideals

 

Weitaus freundlicher geht es bei ROM zu, dem Duo von Roberto Carlos Lange (eine Hälfte von Savath y Savalas) und Matt Crum (Drummer des Kollektivs Comic Wow). Foot Signal (Pingipung) destabilisiert Postrock in erster Linie über die Wahl der Mittel: Vorsätzlich ungestimmte Instrumente bratzen munter vor sich hin und raufen sich zu ganz eigenen Grooves mit leicht afrikanischer Note zusammen. Diese Note findet sich manchmal auch in der Musik von Dana Buoy, dem Perkussionisten von Akron/Family: Mit seinem Solo-Debüt Summer Bodies (Lefse Records) träumt sich der Amerikaner von der Ost- an die Westküste und bringt Folkrock- bzw. Hi-Life-Gitarrenläufe und optimistische Vocals mit gezupften Streichern, Synthesizer-Flächen und bretternden Drums zusammen. Wer das mag, hat bestimmt ein Herz für Hippies (und vielleicht auch schon mal They Might Be Giants gehört).


Stream: Dana BuoyCall To Be

 

Die Info, dass Guido Möbius eine Platte voller Vocals aufgenommen und zum Teil gar mit Kickdrums versehen habe, klingt verwegen, ist aber Fakt. Auf Spirituals (Karaoke Kalk) setzt sich Möbius mit dem religiösen Pathos und den Bedeutungsebenen verschiedener Genres – Soul, Reggae, Gospel, Black Metal – auseinander und gelangt über den scheinbaren Umweg des Sampelns und Vertonens einschlägiger Momente in neue Territorien seiner Musik. Deren Klang schließt sich unter anderem mit Stock, Hausen & Walkman bzw. natürlich Can & Co zusammen („Judgment“), spannt jedoch mit treibenden Rhythmen („Godhead Appears“) auch einen Bogen zu Blinker, Möbius’ ehemaliger Speed-Postrock-Band. Komplett emphatisch und ohne Rücksicht auf Verluste wirft sich dagegen Miaoux MiaouxLight Of The North (Chemikal Underground) in die Arme der Geschichte. Das ist Musik, wie man sie aus Glasgow selten gehört hat. Bei Miaoux Miaoux sind New Order-Bässe, Pop-Techno, Chillwave-Flair und sehr eingängige Melodien am Start, und damit das richtig gut wird, muss „Kätzchen“ Julian Corrie zuweilen auch an seichten Gewässern entlang manövrieren. Mit einer recht ähnlichen Kombination hat schon Erlend Øye so manches Herz gebrochen. Die perfekte Musik für einen grandiosen Sommer – mindestens!

 


Stream: Rdio-PlaylisteMotherboard (Juli/August 2012)

In diesem Text

Weiterlesen

Features

Lehmann Club: „Als Club musst du heutzutage mehr bieten als eine Anlage und ein bisschen Sound”

Groove+ Seit 14 Jahren sorgt der Lehmann Club für Techno in Stuttgart. Wir haben mit den Betreibern über ihre Vision und Vergangenheit gesprochen.

Rave The Planet: „Techno ist genauso viel wert wie andere Kulturen”

Techno ist UNESCO-Kulturerbe! Wir haben mit den Initiator:innen von Rave The Planet über die Anerkennung gesprochen.

Franziska Berns: „Don’t believe the hype!”

Groove+ Was die Club-Mentalität von Frankfurt und Offenbach ausmacht und wie man zur Peaktime-DJ im Robert-Johnson wird, verrät uns Franziska Berns im großen Porträt.